Edgar Allan Poe

Chapter 3

Here once, through an Alley t.i.tantic Of Cypress, I roamed with my Soul -- -- -- -- -- --"

Ich weiss wohl, da.s.s ich es bin, der die Verse spricht. Aber ich fuhle, da.s.s meine Lippen nichts anderes sagen, als das, was die Ulmen da rauschen. Ich fuhle: das ist das trube Oktoberlied der heulenden Winde, das eines Dichters uberirdische Sehnsucht in sich aufsog und in Menschenworte bannte. Das ist das Einatmen eines innersten Sinnes der Natur, ist ein Aufgehen des eigenen Wesens im All und zugleich ein Durchdringen des Alls mit dem Gedanken, der die Urform allen Seins ist.

Das ist ein kleiner Beweis fur das von dem Dichter aufgestellte hochste Gesetz von der +Einheit+ _als Quelle aller Dinge_".

Mein Mund spricht die geheimnisvollen Worte, die meinem Ohre der Wind zutragt. Ich furchte mich in dieser dustern Einsamkeit, in der eine marchenferne Zeit lebt; ich will hinaus aus dem Tale der Alhambra. Da verirrt sich mein Fuss, tappt im Dunkel und verfehlt den Weg. Und wie ich eine Allee gewaltiger Zypressen zu Ende schreite, stosse ich hart an ein niederes Tor. O, die Angst lehrt im Dunkeln sehn -- -- ich weiss, ich weiss, wessen Grab das ist. Und _gegen meinen Willen_ sprechen meine Lippen zu meiner Seele:

-- -- -- What is written, sweet Sister, On the door of this legended tomb?"

She replied: -- Ulalume -- Ulalume -- "Tis the vault of thy lost Ulalume!"

Immer steigert sich meine Furcht. Des toten Dichters Seele, die durch der Ulmen Blatter rauschte, in der Nachtigallen Sang erklang, die aus den Quellbachlein platscherte und des Windes schauriges Lied erfullte, sie nimmt _auch von mir_ Besitz. Von mir: einem winzigen Staubchen der Natur, die sie durchdringt. Ich weiss, da.s.s dieser Gedanke mich vernichtet, dem ich nicht entfliehen kann. Doch wehre ich ihm nicht, -- -- und seltsam! ich werde ruhig, so ruhig, wie ich ganz von ihm erfullt bin.

Leise schwindet die kleine Menschenangst.

Nun finde ich auch meinen Weg wieder. Ich schreite durch die Pforte der Reben auf den Platz der Aljibes zu. Ich gehe in die Alcazaba, steige den Ghafar hinauf, den machtigen Wachtturm der maurischen Fursten. Ein leuchtender Halbmond glanzt nun zwischen ziehenden Wolken, das alte Wahrzeichen arabischer Grosse, das kein Christengott vom Himmel wegwischen kann. Ich blicke tief hinunter auf das kirchenfrohe Granada, larmend und schwarmend im nachtlichen Stra.s.sentreiben. Das lauft in Kaffeehauser, das liest Zeitungen, putzt Stiefel und la.s.st sich Stiefel putzen. Das schaut in erleuchtete Ladenfenster, fahrt in Trambahnen, ruft frisches Wa.s.ser aus und sammelt Zigarrenstummel. Das larmt und schreit, zankt sich und vertragt sich wieder. -- Und _kein Mensch_ hebt den Blick, kein Mensch schaut hinauf auf die einzige Pracht hier oben!

Rechts von mir braust der Darro daher, hinten h.o.r.e ich des Genil Rauschen. h.e.l.le Feuerscheine dringen aus den Erdhohlen des Zigeunerberges, und zur andern Seite strahlen silbern im Mondlichte die Schneehaupter der Sierra. Zwischen dem Wachtturme, auf dem ich stehe, und den Purpurturmen des Mohrenberges zieht sich tief im Tal der dunkle Park hin, hinter mir liegt, Saal an Saal, Hof an Hof, der Alhambra Zauberschloss.

Dort unten larmt das kleine Leben des Jahrhunderts, hier oben ist der Traume Land. Und das da unten -- -- wie fern, wie unendlich weit ist das von mir. Und das hier oben -- -- ist nicht jeder Stein ein Stuck meiner Seele? Bin ich, allein in dieser Welt der Geister, _die das blinde Leben unten nicht sieht_, bin ich nicht ein Teil all dieser Traume? -- Die allmachtige Schonheit macht diese Traume _zur Wahrheit_: hier bluht das Leben, und die Wirklichkeit da unten wird zum Schattenspiele.

Die Tat ist nichts -- der Gedanke ist alles. Die Wirklichkeit ist ha.s.slich, und dem Ha.s.slichen fehlt die Berechtigung des Daseins. Die Traume aber sind schon, und sind wahr, _weil_ sie schon sind.

Und darum glaube ich an die Traume, als an das _einzig_ Wirkliche.

[Verzierung]

WIE SAH EDGAR ALLAN POE AUS?

Es gibt Manner, von denen ein seltsamer Zauber ausgeht. Sie ziehen in ihren Bann, willenlos: man _muss_ an ihre Personlichkeit glauben. Und dann ist da ein _Etwas_, das zuruckstosst; man weiss nicht, was es ist -- -- _aber es ist da_. Sie sind _gezeichnet_: mit dem Kennzeichen der Kunst. So war Oscar Wilde, so war +Edgar Allan Poe+.

Seine Gestalt war hoch, sein Gang leicht und seine Haltung stets harmonisch. Immer vornehm, trotz seiner Armut; von einer romantisch ritterlichen Art. Seine stolzen Zuge waren regelma.s.sig, ja, sie waren schon; die reinen Augen dunkelgrau mit einem seltsam violetten Glanze.

Die selbstbewusste Stirn hoch und von wunderbarem Ebenma.s.s. Bleich war stets seine Gesichtsfarbe und schwarz die Locken, die sie beschatteten.

Schon war Edgar Allan Poe, an Leib und an Seele. Wie Musik klang seine leise Stimme -- --

Geschmeidig war er und kraftig, zu jeder Leibesubung geschickt. Ein ausdauernder Schwimmer, der einmal uber sieben englische Meilen ohne zu ermuden von Richmond nach Warwick gegen reissenden Strom schwamm; ein gewandter Springer, eleganter Reiter und vorzuglicher Fechter, der mehr wie einmal einen Gegner heissblutig zum Zweikampfe forderte.

Er war ein _Gentleman_ vom Scheitel zur Sohle. Seine gesellschaftlichen Formen waren kuhl und doch bestrickend liebenswurdig. Er war weich und zart und doch ernst und fest. Er war ein Gelehrter, besa.s.s eine fast universale Bildung. Es war ein gleich grosser asthetischer Genuss ihn zu sehen, wie ihm zuzuh.o.r.en. Er war immer der Schenkende, und sein Fluch war, da.s.s so wenige, wenige all derer, an die er seine reichen Gaben zerstreute, sie zu wurdigen verstanden. Ein paar schone Frauen -- -- verstanden ihn? -- nein, aber sie ahnten den Adel seiner Seele; instinktiv, wie es immer die Frauen tun. -- Drei Menschen, die zu seiner Zeit lebten, vermochten ihn ganz zu erfa.s.sen: Baudelaire und die beiden Browning. Aber sie lebten druben im alten Europa, und er sah sie nie --

[Abbildung: Edgar A. Poe.

(Nach einer Radierung von Harry G. Webb)]

So war der Dichter allein, einsam in seinen verstiegenen Traumen.

Und wie er schon war und uber alles die Schonheit liebte, so musste auch alles das schon sein, was ihn umgab. Grandiose Schonheiten schuf er in seinen Traumen, die ihm ja Wirklichkeit waren; da hauste er in Landors kostlichem Landhaus oder auf dem herrlichen Gute zu Arnheim. Aber auch in dem armen bescheidenen Leben, das die Pfennige zahlt, wusste er um sich herum ein Sein zu schaffen, das die Bewunderung Reichster erregte.

Seine kleine Hutte zu Fordham, in der er an der Seite der schonen todgeweihten Gattin ein Paradies der Qualen durchlebte, durchflutete eine kostliche Harmonie, die jeden Besucher entzuckte. Krempel und Gerumpel stand da herum -- -- aber _wie_ es herum stand, war es reizvoll und schon. Es war eine erbarmliche Hutte auf der Spitze eines kleinen Hugels, aber bluhende Kirschbaume standen auf der grunen Wiese, kleine Singvogel lockten fruhmorgens den Dichter hinaus in die nahen Fichtenwalder. Dann schritt er durch seine bunten Georginenbusche, atmete den sussen Duft der Reseden- und Heliotropbeete ein. Die leichte Morgenluft kusste seine feuchten Schlafen, streichelte die muden Augen, die die lange Nacht uber an dem Lager der langsam sterbenden Geliebten gewacht hatten. Er ging zu der hohen Brucke uber den Fluss Harlem oder an den felsigen Abhang und traumte dort, von alten Zedern beschattet, in das weite Land hinaus.

Nun ruht er -- -- irgendwo. Am Tage nach seinem Tode begrub man ihn, auf dem Westminsterchurchfriedhofe zu Baltimore. Wie einen Landstreicher las man den sterbenden Dichter von der Stra.s.se auf, wie einen Hund verscharrte man ihn am andern Tage. Sein Grab soll nahe bei dem seines Grossvaters liegen, des Generals David Poe, der in dem Befreiungskampfe der Union sich einen Namen machte. Da ungefahr _soll_ es sein; man weiss es nicht so genau. Kein Kreuz, kein Grabstein erhebt sich an der Stelle; kein Mensch bek.u.mmert sich darum. Seine Landsleute haben andere Sorgen: was geht die ein toter Dichter an! -- So eine Woche noch beschaftigten sie sich mit dem elend Verschiedenen -- um sein Andenken zu beschmutzen, zu begeifern. Alle die Lugengeschichten, die noch heute uber ihn im Umlauf sind, wurden da erfunden; eine ganze Flut giftiger Tinte wurde uber den toten Lowen verspritzt. Alle die Mittelma.s.sigkeiten fielen uber ihn her, die neidgeschwollenen Schreiberlein, die er so unbarmherzig zerrupft hatte. Stimmten ein in den Schlachtruf des Lugenpfaffen Griswold: Er verreckte im Dusel! Er soff, er soff, er soff!" -- Dann verga.s.s man ihn da druben, und das war gut so: seine Landsleute waren eben lange noch nicht reif, ihres grossen Dichters Genie zu erkennen.

Ob sie es heute sind?

Aber nach hundert Jahren werden sie die morschen Knochen zusammensuchen, werden ihnen einen machtigen Denkstein errichten und darauf schreiben:

Die Vereinigten Staaten _ihrem_ grossen Dichter."

Mogen sie die Knochen behalten, die da druben! Wir aber wollen des Dichters Seele lauschen, die in den Nachtigallenkehlen der Alhambra lebt.

_Anmerkungen_

[Anmerkung A: Die beste Ausgabe in englischer Sprache ist bei J. B. Lippincott Company, Philadelphia erschienen; eine deutsche Gesamtausgabe (die nur die kritischen Studien und einige Gedichte und Humoresken nicht enthalt) erschien bei J. C. C. Bruns in Minden; einzelne Novellen in der Reclamschen und der Meyerschen Volksbibliothek.]

[Anmerkung B: Was seinen Biographen, den Pfaffen +Griswold+, nicht hindert, zu behaupten, da.s.s es in der ganzen Literatur kein Beispiel gabe, bei welchem man, wie bei Poe, so sehr auch nur den Schatten eines Gewissens vermisse!"]

[Anmerkung C: {7 Seiten} Es ist vollig verfehlt, diese Tatsache, wie +van Vleuten+ es tut, auf den uberma.s.sigen Alkoholgenuss zuruckzufuhren: Bacchus, der Venus Feind. Seine Bemerkung: Da.s.s der Alkohol ein Feind der physischen Liebe ist, weiss jeder Arzt; in Poe scheint er auch das psychische aquivalent vernichtet zu haben"

(Zukunft" 1903 pag. 189), ist mir aus dem Munde eines ernsten Psychiaters, wie +van Vleutens+, einfach unbegreiflich. Ich habe im +Gegenteil haufig+ die Erfahrung gemacht -- und mir von Psychiatern bestatigen la.s.sen -- da.s.s chronische Alkoholiker im Rausche oft genug, manche sogar regelma.s.sig, eine ausserordentliche Steigerung des Geschlechtstriebes zeigen. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Frage naher einzugehen, jedenfalls ist es eine Tatsache, die jeder Polizist bestatigen wird und die +van Vleuten+ gewiss nicht leugnen kann, da.s.s dreiviertel der nachtlichen Bordellbesucher in einem mehr oder weniger grossen Rausche handeln. Ist also die Hypothese van Vleutens falsch, so ist seine Schlussfolgerung vollig absurd: in Poe scheint der Alkohol auch das +psychische+ aquivalent vernichtet zu haben. _Deshalb_ war das Weib aus seinen Delirien verbannt; und da sein Dichten fast ausschliesslich in seinen Delirien wurzelte, fehlt ihm die ganze Sphare des Weibes und der Geschlechtsliebe". -- Die Sphare des Weibes" fehlt Poe durchaus nicht, vielmehr hat er sie haufig, freilich stets in der denkbar reinsten und edelsten Form, verwandt. -- ubrigens widerspricht sich van Vleuten selbst.

Er stellt fest, da.s.s "_Der Rabe_" offenbar aus einem +Delirium+ stamme" (a.a.O. pag. 189). Nun, in diesem Gedicht spielt doch _ein Weib_ die Hauptrolle, wie kann er da behaupten, da.s.s das Weib aus Poes Delirien verbannt sei"? -- Der Satz, da.s.s der Alkohol der physischen Liebe -- und sogar ihres psychischen aquivalents -- Feind sei", ist in dieser Allgemeinheit gewiss unrichtig; die Wirkung ist eben +individuell+ vollig verschieden. Daher hatte sich van Vleuten seine Bemerkung, da.s.s _Baudelaire_, als er auf die As.e.xualitat der Novellen Poes hinwies, _keine rechte Erklarung hierfur habe finden konnen_", besser gespart. Baudelaire, dem bewussten Rauschkunstler par excellence, war ganz sicher diese sogenannte Erklarung" wohl bekannt, er gab sie mit Absicht _nicht_ wieder, da er ihre Hohlheit durchaus erkannte. -- -- Die _Asozialitat_ des Dichters, die ubrigens ebenso wie die As.e.xualitat beim Lesen Poes in die Augen springt, beruhrt van Vleuten leider mit keinem Wort: -- mochte er etwa behaupten, da.s.s ihr _physisches_ aquivalent bei ihm _vorhanden gewesen_, aber durch den Alkohol vernichtet worden sei?! -- Logisch +musste er es+, denn der innere Zusammenhang beider Momente -- hier in der Negation -- la.s.st sich doch einmal nicht verleugnen! -- -- Es ist ubrigens unerhort, zu welchen Gewaltmitteln van Vleuten in seiner sonst klugen Arbeit greift, um den Dichter in das Prokrustesbett seiner vorher festgelegten Schablone zu pressen! So behauptet er: Die Landschaft Poes ist schematisch und einformig.

-- -- -- Fur die wirkliche Landschaft war der Blick des Kranken +unempfindlich+, wenigstens liess die Amnasie keine Erinnerung daran haften." -- Und solchen Unfug sagt ein Psychiater, der selbst ein begabter Dichter ist, von dem Edgar Allan Poe, der _Landors Cottage_" und _The Domain of Arnheim_" schrieb, diese +Hohenlieder der Landschaft+, in denen auf funfzig engbedruckten Seiten von nichts anderm als von landschaftlichen Schonheiten die Rede ist! -- Ich kann mir dies Vorgehen van Vleutens nur so erklaren, da.s.s er Poes Werke nur bruchstuckweise kennt und die erwahnten beiden Kabinettstucke, sowie die Mehrzahl seiner Gedichte, die eine Menge landschaftlicher Bilder enthalten, nie gelesen hat! Wenn ich ihn also in Schutz nehme vor dem Vorwurfe, bewusst Unrichtiges gesagt zu haben, so kann ich ihm doch den andern schweren Vorwurf nicht ersparen: ohne genugende Vorkenntnisse den Lesern der Zukunft", das heisst, unserm Elitepublik.u.m, eine Arbeit vorgesetzt zu haben, die, obwohl im grossen ganzen gewiss anerkennenswert, doch in Einzelheiten schwere Irrtumer enthalt, die geeignet sind, das Bild eines der allergrossten Genies im Werte herabzusetzen.]

[Verzierung]

SCHRIFTEN VON

HANNS HEINZ EWERS

MaRCHEN UND FABELN

Ein Fabelbuch (mit Etzel). IV. Aufl.

Verlag Albert Langen, Munchen

Die verkaufte Gross.m.u.tter. III. Aufl.

Verlag Hermann Seemann Nachf., Berlin

Die Ginsterhexe. II. Aufl. Verlag J. von Schalscha-Ehrenfeld, Leipzig

NOVELLEN UND GEDICHTE

Der gekreuzigte Tannhauser. VI. Aufl.

(Vergriffen)

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